7 Fragen
Für Kriminetz beantwortete Regula Venske sieben Fragen.

Kriminetz: Du wohnst in Hamburg, einige deiner Krimis handeln auf Juist. Hast du eine besondere Beziehung zu der Insel?
Regula Venske: Nach Jürgen Kehrer war ich die zweite, die als „Tatort Töwerland“-Krimistipendiatin inspirierende Wochen auf der schönsten Sandbank der Welt erleben durfte. Vorher war Langeoog meine Kindheitsinsel gewesen, weswegen ich mir damals ein wenig treulos vorkam; folgerichtig handelt „Juist Married oder Wohin mit der Schwiegermutter“ von Verrat und Ehebrüchen. Inzwischen ist aus dem Seitensprung mit Juist eine stabile Liebesbeziehung geworden. Ich hoffe, dass Langeoog mir verzeiht – dort bin ich auch noch immer wieder gerne. An der Nordsee, speziell auf den Inseln, ist meine innere Heimat.

Kriminetz: Die „Garstigen Greise“, die unter anderem in deinem Krimi „Ein allzu leichter Tod“ ermitteln, tragen eine witzige Bezeichnung. Ich habe aber den Eindruck, eigentlich sind sie gar nicht garstig. Wie kam es zu diesem Namen?
Regula Venske: Eine Weile dominierten tatsächlich einige reale garstige Greise mein Leben – wenngleich sie in meiner Obhut zeitweilig friedlicher und freundlicher wurden. Vielleicht ist es meinen Figuren mit mir ebenso ergangen – bzw. mir mit ihnen? Das wäre eine Erklärungsmöglichkeit. Oder war es so, dass der Verlag nichts Satirisches haben wollte?

Kriminetz: Im hohen Alter in einer WG mit Gleichgesinnten zu leben ist eine schöne Utopie?
Regula Venske: Ehrlich gesagt, war ich nie so der WG-Typ – da ich ein geselliger Mensch bin, brauche ich als Gegenpol meine Ruhe. Aber wer weiß, das kann sich ja im Alter noch ändern. Zu gleichgesinnt stelle ich mir allerdings langweilig vor. Und lieber möchte ich über Politik oder den neuen Skandalroman der Saison streiten oder verschiedener Meinung sein, als die Krümel anderer Leute wegzuwischen – damit bin ich nach 27 Jahren Ehe und Familienleben durch.

Kriminetz: Über dich ist zu lesen, man habe dir im zarten Alter von vier Jahren attestiert, eine schwarze Seele zu besitzen. Ist die im Laufe der Zeit noch schwärzer geworden?
Regula Venske: Ich bin froh, dass Kriminetz diese Frage stellt, denn das gibt mir die Gelegenheit, etwas geradezurücken: Die ´schwarze Seele` wurde nicht mir persönlich attestiert, sondern galt einzig und allein dem Umstand, dass ich evangelisch war – was man im katholischen Münster ´protestantisch` nannte. Ein Wort, das immer so ein bisschen ausgespuckt wurde, protestantisch gehörte sich nicht. Eines schönen Nachmittags erklärte mir mein Sandkastenfreund, dass er mich deswegen leider nicht heiraten könne. „Von deinem Butterbrot abbeißen ist Sünde“ – so was schmerzt, wenn man vier Jahre alt ist und schließlich auch an den lieben Gott glaubt.

Kriminetz: Du hast unter anderem in Heidelberg studiert. An was erinnerst du dich aus dieser Zeit besonders gerne?
Regula Venske: Die Vormittage im Café Schafheutle, als ich Jauernigs BGB-Vorlesungen schwänzte und stattdessen Shakespeares Gesammelte Werke und Anais Nins Tagebücher las. Spaziergänge auf dem Philosophenweg. Wochenendtrips nach München. Und der Umzug nach Hamburg.

Kriminetz: Wenn man dich bei einer Lesung erlebt, hat man den Eindruck, der Kontakt zu deinem Publikum bereitet dir großes Vergnügen. Was schätzt du selbst im Kontakt zu deinen Lesern?
Regula Venske: Ich mag überhaupt Menschen, egal, ob sie meine Bücher lesen oder nicht. Menschen interessieren mich, sie sind so hoffnungslos verloren und verrückt – und doch immer wieder so aufrecht und mutig und witzig. Menschen sind einfach spannend, in jedem Alter und jedem Geschlecht. Ausgenommen: die humorlosen und verbitterten. Die meide ich tunlichst – und sie tun gut daran, meine Bücher zu meiden.

Kriminetz: Verrätst du, woran du zurzeit arbeitest?
Regula Venske: An einem Roman, der unter dem Titel „Der zweite Stein“ im Frühjahr 2013 erscheint. An einer Trennung. An einem Neuanfang.

Kriminetz: Vielen Dank, Regula Venske, für die Beantwortung der Fragen.
Regula Venske: ´Da nicht für`, wie die Hamburger sagen.


www.kriminetz.de

 
 
 
 

Aus Schmerz wird Trost
Die Hamburger Schriftstellerin Regula Venske über ihre Lieblingsplatte: Bob Dylans "Blonde on Blonde"

Der größte Musiker gleich nach Johann Sebastian Bach ist für mich Bob Dylan. Und der größte lebende Lyriker auch. Zielsicher trifft er mich da, wo es wehtut. Und wo der Schmerz trotzdem auszuhalten ist, sich bisweilen in Trost verwandelt. So viel Sehnsucht und Begehren: "I want you", so viel begnadete Zuversicht: "But it's not that way, I wasn't born to lose you".
"She makes love just like a woman", das galt mir mit 17 im Internat in Amerika, das Wochenende herbeisehnend und Einladungen "fakend", damit ich Ausgang bekam. "But she breaks just like a little girl", das gilt mir noch immer.
"Sad-eyed lady of the lowlands", zigmal - gehört? Nein, gewesen. Während die Visionen von Johanna mich wach hielten, bis nach Morgengrauen, ob ich nun meine Diss schrieb oder den Faust-Roman "Marthes Vision".
Ich bin nicht an Besitz interessiert. Begnügte mich jahrelang mit einem verstaubten Dual-Plattenspieler, bei dem der Lautsprecher im Deckel steckte und der Plattenteller mittels zweier Schrauben gelockert wurde. Alte Freunde belächeln mich, junge wissen nicht, wovon ich rede. Doch ich brauche kein Dolby Surround. Die Musik ist in mir. Wie auch der Text. "Mona Lisa musta had the highway blues you can tell by the way she smiles." Einfach genial.

Hamburger Abendblatt, 12. Mai 2011

 
 
 
 

Geborgenheit
In Gottes Hand

„Welche Wurzeln tragen?“ Seit ich mit siebzehn T. S. Eliots Waste Land las, ist mir die Frage lieber als jede Antwort. Gern reiße ich auch mal ein Pflänzchen aus, um die Stärke der Wurzeln zu prüfen.

Gemeindebrief der Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Gertrud, Hamburg, Dezember 2010-Februar 2011
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